OCT-Angiografie (OCT-A): Eine neue Dimension der retinalen und choroidalen Gefässdarstellung
- Familie Windisch
- 11. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Juni
Einleitung
Die optische Kohärenztomografie-Angiografie (OCT-A) hat sich in den letzten Jahren als revolutionaere Technik zur nichtinvasiven Darstellung der Netzhaut- und Aderhautmikrozirkulation etabliert. Im Gegensatz zur Fluoreszenzangiografie (FA) benoetigt OCT-A keine Kontrastmittel, liefert aber detaillierte Informationen ueber die Flussdynamik in verschiedenen vaskulaeren Plexi.
Dieser Beitrag beleuchtet den aktuellen Stand der Technik, klinische Anwendungen, Limitationen und den Stellenwert der OCT-A in Forschung und Diagnostik.
1. Physikalisches Prinzip der OCT-A
Die OCT-A basiert auf der Erkennung von Bewegungsartefakten (motion contrast) im reflektierten OCT-Signal. Durch mehrere B-Scans an derselben Stelle kann die Bewegung von Erythrozyten zwischen den Scans detektiert werden – als Hinweis auf Blutfluss.
Technologische Grundlagen:
Split-spectrum amplitude-decorrelation angiography (SSADA): weit verbreitetes Verfahren zur Signalverstaerkung bei schwachem Fluss
Projection-resolved OCT-A: reduziert „projection artifacts“ von oberflaechlichen Gefaessen auf tiefer liegende Strukturen
Swept-source OCT-A (SS-OCTA): arbeitet mit laengerer Wellenlaenge (1050 nm), was eine bessere Penetration zur Aderhaut ermoeglicht
2. Darstellung vaskulärer Schichten
Die OCT-A ermoeglicht die segmentierte Darstellung folgender Gefaessplexi:
Superficial vascular plexus (SVP): innerer Plexus der Ganglienzellschicht
Deep vascular plexus (DVP): an der inneren nukleaeren Schicht
Avascular zone (FAZ): zentral in der Makula – relevant bei diabetischer Retinopathie und Ischaemie
Choriocapillaris (CC): wichtig bei AMD, zeigt fruehe Perfusionsdefekte
Choroidale Gefaesse (tieferliegend): eingeschraenkt darstellbar, jedoch verbessert durch SS-OCTA
3. Klinische Anwendungen
a) Altersbedingte Makuladegeneration (AMD)
Frueherkennung von nicht-exsudativer CNV (sog. quieszente CNV), lange vor Exsudation im SD-OCT sichtbar
Quantifizierung der Choriocapillaris-Flussdefizite als Progressionsmarker bei geografischer Atrophie
Therapiemonitoring bei Anti-VEGF: Veraenderung der CNV-Netzstruktur in Response vs. Non-Response-Faellen
b) Diabetische Retinopathie
Identifikation mikroangiopathischer Veraenderungen: Mikroaneurysmen, Kapillarverschluesse, Verlust der FAZ-Symmetrie
Detektion ischaemischer Areale ohne Farbstoffgabe
Klassifikation nach DR-Schweregrad moeglich (OCT-A-basierte Scores in Entwicklung)
c) Glaukom
Analyse der papillaeren Perfusionsdichte (peripapillaerer und Makula-Gefaessplexus)
Korrelation mit strukturellen Parametern (RNFL, GCC) und funktionellen (MD, PSD im Gesichtsfeld)
Besonderer Stellenwert bei Normaldruckglaukom, bei dem vaskulaere Dysregulation zentral diskutiert wird
d) Myopie und choroidale Neovaskularisation
Abgrenzung myopischer CNV von atrophischen Veraenderungen
Darstellung flacher, subfovealer Neovaskularmembranen, die in der FA leicht uebersehen werden
e) Retina vaskuläre Erkrankungen
Retinale Venenverschluesse: Darstellung nicht perfundierter Areale
Retinale Arterienverschluesse: schneller Nachweis vaskulaerer Okklusion, FA oft kontraindiziert
4. Quantitative Parameter in der OCT-A
Neben der visuellen Beurteilung rueckt die quantitative OCT-A in den Fokus:
Vessel density (VD): Anteil der perfundierten Flaeche in einem definierten Bereich
Non-perfusion area (NPA): wichtig zur Klassifikation ischaemischer Veraenderungen
FAZ-Area/Perimeter/Circularity Index: bei diabetischer Retinopathie, hypertensiver Retinopathie, u.a.
Flow voids in der Choriocapillaris: potenzieller Praediktor fuer geografische Atrophie oder CNV-Risiko
Diese Metriken werden zunehmend standardisiert (z. B. im DRCR Retina Network).
5. Limitationen der OCT-A
Trotz ihrer Vorteile hat die OCT-A auch technische und klinische Einschraenkungen:
Bewegungsartefakte und Signalverluste bei schlechter Fixation oder Medienopazitaeten (z. B. Katarakt)
Abhaengigkeit von Algorithmen zur Plexus-Segmentierung – fehleranfaellig bei anatomischen Abweichungen
Keine direkte Aussage über Leckage – daher kein Ersatz für FA bei aktiver CNV oder diabetischem Makulaoedem
Kleinste Mikroaneurysmen (< 20 µm) koennen unter der Aufloesungsgrenze liegen
6. Forschung und Zukunftsperspektiven
Kuenstliche Intelligenz (KI): Automatisierte CNV-Erkennung, ischaemische Areal-Detektion, Progressionspraediktion bei AMD/Glaukom
Multimodale Bildgebung: Kombination von OCT-A, FAF (Fundusautofluoreszenz), und Mikroskopie zur besseren Gewebekorrelation
Longitudinale Studien: z. B. bei Geographic Atrophy oder Progressions-Glaukom zur Nutzung von OCT-A als Verlaufsparameter
Fazit
Die OCT-A hat sich als unverzichtbares Instrument der modernen Augenheilkunde etabliert. Sie erlaubt eine gefaessschichtenspezifische, hochaufloesende und patientenschonende Bildgebung – mit besonderem Nutzen in der Fruehdiagnostik, Verlaufskontrolle und Forschung.
Gleichzeitig erfordert ihre Interpretation fundiertes Wissen über Bildartefakte, pathologische Muster und anatomische Normvarianten. Mit zunehmender Standardisierung und Integration quantitativer Verfahren wird die OCT-A ein zentrales Element der personalisierten Ophthalmologie bleiben.
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