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OCT-Angiografie (OCT-A): Eine neue Dimension der retinalen und choroidalen Gefässdarstellung

Aktualisiert: 26. Juni

Einleitung

Die optische Kohärenztomografie-Angiografie (OCT-A) hat sich in den letzten Jahren als revolutionaere Technik zur nichtinvasiven Darstellung der Netzhaut- und Aderhautmikrozirkulation etabliert. Im Gegensatz zur Fluoreszenzangiografie (FA) benoetigt OCT-A keine Kontrastmittel, liefert aber detaillierte Informationen ueber die Flussdynamik in verschiedenen vaskulaeren Plexi.

Dieser Beitrag beleuchtet den aktuellen Stand der Technik, klinische Anwendungen, Limitationen und den Stellenwert der OCT-A in Forschung und Diagnostik.

1. Physikalisches Prinzip der OCT-A

Die OCT-A basiert auf der Erkennung von Bewegungsartefakten (motion contrast) im reflektierten OCT-Signal. Durch mehrere B-Scans an derselben Stelle kann die Bewegung von Erythrozyten zwischen den Scans detektiert werden – als Hinweis auf Blutfluss.

Technologische Grundlagen:

  • Split-spectrum amplitude-decorrelation angiography (SSADA): weit verbreitetes Verfahren zur Signalverstaerkung bei schwachem Fluss

  • Projection-resolved OCT-A: reduziert „projection artifacts“ von oberflaechlichen Gefaessen auf tiefer liegende Strukturen

  • Swept-source OCT-A (SS-OCTA): arbeitet mit laengerer Wellenlaenge (1050 nm), was eine bessere Penetration zur Aderhaut ermoeglicht

2. Darstellung vaskulärer Schichten

Die OCT-A ermoeglicht die segmentierte Darstellung folgender Gefaessplexi:

  • Superficial vascular plexus (SVP): innerer Plexus der Ganglienzellschicht

  • Deep vascular plexus (DVP): an der inneren nukleaeren Schicht

  • Avascular zone (FAZ): zentral in der Makula – relevant bei diabetischer Retinopathie und Ischaemie

  • Choriocapillaris (CC): wichtig bei AMD, zeigt fruehe Perfusionsdefekte

  • Choroidale Gefaesse (tieferliegend): eingeschraenkt darstellbar, jedoch verbessert durch SS-OCTA

3. Klinische Anwendungen

a) Altersbedingte Makuladegeneration (AMD)

  • Frueherkennung von nicht-exsudativer CNV (sog. quieszente CNV), lange vor Exsudation im SD-OCT sichtbar

  • Quantifizierung der Choriocapillaris-Flussdefizite als Progressionsmarker bei geografischer Atrophie

  • Therapiemonitoring bei Anti-VEGF: Veraenderung der CNV-Netzstruktur in Response vs. Non-Response-Faellen

b) Diabetische Retinopathie

  • Identifikation mikroangiopathischer Veraenderungen: Mikroaneurysmen, Kapillarverschluesse, Verlust der FAZ-Symmetrie

  • Detektion ischaemischer Areale ohne Farbstoffgabe

  • Klassifikation nach DR-Schweregrad moeglich (OCT-A-basierte Scores in Entwicklung)

c) Glaukom

  • Analyse der papillaeren Perfusionsdichte (peripapillaerer und Makula-Gefaessplexus)

  • Korrelation mit strukturellen Parametern (RNFL, GCC) und funktionellen (MD, PSD im Gesichtsfeld)

  • Besonderer Stellenwert bei Normaldruckglaukom, bei dem vaskulaere Dysregulation zentral diskutiert wird

d) Myopie und choroidale Neovaskularisation

  • Abgrenzung myopischer CNV von atrophischen Veraenderungen

  • Darstellung flacher, subfovealer Neovaskularmembranen, die in der FA leicht uebersehen werden

e) Retina vaskuläre Erkrankungen

  • Retinale Venenverschluesse: Darstellung nicht perfundierter Areale

  • Retinale Arterienverschluesse: schneller Nachweis vaskulaerer Okklusion, FA oft kontraindiziert

4. Quantitative Parameter in der OCT-A

Neben der visuellen Beurteilung rueckt die quantitative OCT-A in den Fokus:

  • Vessel density (VD): Anteil der perfundierten Flaeche in einem definierten Bereich

  • Non-perfusion area (NPA): wichtig zur Klassifikation ischaemischer Veraenderungen

  • FAZ-Area/Perimeter/Circularity Index: bei diabetischer Retinopathie, hypertensiver Retinopathie, u.a.

  • Flow voids in der Choriocapillaris: potenzieller Praediktor fuer geografische Atrophie oder CNV-Risiko

Diese Metriken werden zunehmend standardisiert (z. B. im DRCR Retina Network).

5. Limitationen der OCT-A

Trotz ihrer Vorteile hat die OCT-A auch technische und klinische Einschraenkungen:

  • Bewegungsartefakte und Signalverluste bei schlechter Fixation oder Medienopazitaeten (z. B. Katarakt)

  • Abhaengigkeit von Algorithmen zur Plexus-Segmentierung – fehleranfaellig bei anatomischen Abweichungen

  • Keine direkte Aussage über Leckage – daher kein Ersatz für FA bei aktiver CNV oder diabetischem Makulaoedem

  • Kleinste Mikroaneurysmen (< 20 µm) koennen unter der Aufloesungsgrenze liegen

6. Forschung und Zukunftsperspektiven

  • Kuenstliche Intelligenz (KI): Automatisierte CNV-Erkennung, ischaemische Areal-Detektion, Progressionspraediktion bei AMD/Glaukom

  • Multimodale Bildgebung: Kombination von OCT-A, FAF (Fundusautofluoreszenz), und Mikroskopie zur besseren Gewebekorrelation

  • Longitudinale Studien: z. B. bei Geographic Atrophy oder Progressions-Glaukom zur Nutzung von OCT-A als Verlaufsparameter

Fazit

Die OCT-A hat sich als unverzichtbares Instrument der modernen Augenheilkunde etabliert. Sie erlaubt eine gefaessschichtenspezifische, hochaufloesende und patientenschonende Bildgebung – mit besonderem Nutzen in der Fruehdiagnostik, Verlaufskontrolle und Forschung.

Gleichzeitig erfordert ihre Interpretation fundiertes Wissen über Bildartefakte, pathologische Muster und anatomische Normvarianten. Mit zunehmender Standardisierung und Integration quantitativer Verfahren wird die OCT-A ein zentrales Element der personalisierten Ophthalmologie bleiben.

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